Part 20 (1/2)
Ich schneide dich bis tief zum Herzen Und reiss' es lebend noch aus dir.
Nun, Madchen, sprich und sage mir, 1045 Wie es mit deinem Mute steh'; Geschah noch keinem Kind so weh, Als dir von mir nun muss geschehen.
Da.s.s ich es tun muss und es sehen, Das macht mir Angst und Not genug. 1050 Bedenk' nun selber bei dir klug: Gereut dich's auch nur um ein Haar, So hab' ich meine Arbeit gar Und du den jungen Leib verloren.”
So ward um alles sie beschworen, 1055 Da.s.s fern sie bleibe solcher Pflicht, War' felsenfest ihr Wille nicht.
Die Jungfrau aber lachend sprach, Da sie erfuhr, da.s.s an dem Tag Ihr helfen sollte noch der Tod 1060 Aus aller Welt- und Erdennot: ”Gott lohn' Euch, lieber Herr, da.s.s Ihr So ganz und gar und treulich mir Die volle Wahrheit habt gesagt.
Nun bin ich wahrlich doch verzagt: 1065 Ein Zweifel mir das Herz erregt; Euch sei's geklagt, was mich bewegt.
Mir bangt jetzt, unser Unternehmen Mocht' Euer zager Mut noch lahmen, Da.s.s es vielleicht gar unterbleibe! 1070 Eu'r Reden ziemte einem Weibe.
Ihr seid des Hasen Spielgenoss, Und Eure Angst ist viel zu gross Um mich, da.s.s ich nun sterben soll.
Wahrhaftig, Herr, Ihr tut nicht wohl 1075 Bei Eurer grossen Meisterschaft.
Ich bin ein Weib, doch hab' ich Kraft.
Wagt Ihr nur mich zu schneiden, Ich wag' es wohl zu leiden.
Die Angst und bittre Todesqual, 1080 Davon Ihr mir erzahlt zumal, Die hab' ich wohl von Euch vernommen; Doch war' ich wahrlich nicht gekommen, Wusst' ich so fest nicht meinen Mut, Da.s.s ich vergiessen konnt' mein Blut 1085 Und alle Leiden gern erdulden.
Mir ist von Euren Hulden Die bleiche Farbe ganz genommen Und also fester Mut gekommen, Da.s.s ich nicht angstlicher hier steh', 1090 Als wenn ich froh zum Tanze geh'; Die Not kann doch so gross nicht sein, Die einen Tag nur wahrt; ich mein', Da.s.s ich furs ewige Leben Den einen Tag wohl konnte geben. 1095 Euch kann an meinem festen Willen Kein Zweifel mehr das Herz erfullen.
Konnt' Ihr dem Herrn Gesundheit geben Und mir zugleich das ew'ge Leben, Um Gotteswillen, tut's beizeit. 1100 La.s.st sehn, ob Ihr ein Meister seid.
Ihr sollt noch reizen mich dazu.
Ich weiss es wohl, um wen ich's tu'.
In dessen Namen es geschieht, Der unsre guten Dienste sieht 1105 Und la.s.st sie ungelohnet nicht.
Ich weiss wohl, da.s.s er selber spricht, Wer grosse Dienste leiste, Des Lohn sei auch der meiste.
Drum halt' ich diesen grimmen Tod 1110 Auch nur fur eine susse Not Um solch gewissen Himmelslohn.
Liess' ich die reiche Himmelskron', So war' zu toricht doch mein Sinn, Da ich so arm geboren bin.” 1115 Nun sah er, da.s.s unwandelbar Und ohne Reu' ihr Wille war.
Noch einmal fuhrt' er sie sodann Hin zu dem armen, siechen Mann Und sprach zu ihrem Herren: 1120 ”Dem Zweifel la.s.st uns wehren, Zum Werke sei die Magd nicht gut!
Nun habt Vertraun und guten Mut, Ich mache bald Euch ganz gesund.”
Hin fuhrt' der Meister sie zur Stund 1125 In sein geheimes Arbeitszimmer, Damit ihr Herr es sehe nimmer, Verschloss vor ihm sogleich die Tur Und warf noch einen Riegel fur: Er wollte nicht, da.s.s er es seh', 1130 Wie's nun mit ihr zu Ende geh'.
In einer Kemenaten, Die er gar wohl beraten Mit Arzenein fur jung und alt, Hiess er die Jungfrau alsobald 1135 Vom Leibe ziehn der Kleider Zier.
Drob ward sie froh und frohlich schier.
Sie riss die Nate gleich entzwei Und war bald ihrer Kleider frei.
Als sie der Meister nun ansah, 1140 In seinem Herzen fuhlt' er da, Wie sehr ihn dauerte die Maid, Da.s.s Herz und Mut vor Traurigkeit Ihm beinah waren noch verzagt.
Da sah die gute, reine Magd 1145 Gar einen hohen Tisch da stehn, Auf den hiess sie der Meister gehn.
Alsbald er fest darauf sie band Und nahm ein Messer in die Hand, Das nahe lag, gar lang und scharf, 1150 Des man fur solches Werk bedarf.
So guten Stahl das Messer trug, Dem Meister war's nicht scharf genug.
Ihn jammerte die grosse Not, Er wollt' ihr lindern noch den Tod. 1155 Nun lag ein guter Wetzstein auch Ganz nahe bei, wie noch der Brauch.
Auf dem hub jetzt zu streichen an Gar langsam der bedruckte Mann.
Das Wetzen aber horte, 1160 Der ihre Freude storte, Der arme Heinrich vor der Tur.
Und als das Wetzen drang herfur, Da klagt' und trauert' er gar sehr, Da.s.s er das Magdlein nimmermehr1165 Lebendig sollte sehen.
Er hub zu suchen an und spahen, Bis endlich in der dunnen Wand Sein Aug' ein kleines Lochlein fand.
Da sah er durch den schmalen Spalt 1170 Sie auf dem Tisch gebunden bald.
Sie war so hold, so jung und schon, Da musst' er reuig sich ansehn, Und anders ward ihm da zu Mut.
Ihn deucht', es sei wohl nimmer gut, 1175 Wie ihm bisher das Herz gesinnt.
Und so verwandelt' er geschwind Den alten eigensucht'gen Sinn Und gab sich neuem Fuhlen hin.
Er sprach: ”Das war unklug Beginnen, 1180 Da.s.s wider den in trotz'gen Sinnen Du leben wolltest einen Tag, Dem niemand doch entrinnen mag.
Du weisst furwahr nicht, was du tust, Da du doch einmal sterben musst, 1185 Da.s.s du dies jammervolle Leben, Das Gott allein dir hat gegeben, Nicht willig willst zu Ende tragen, Zumal du sicher nicht kannst sagen, Ob dich erlost des Kindes Tod. 1190 Was dir beschert der liebe Gott, Das la.s.s dir alles auch geschehn.
Ich will des Kindes Tod nicht sehn.”
Sogleich war der Entschluss gefa.s.st.
Er pochte an die Wand mit Hast 1195 Und bat: ”La.s.st mich sogleich hinein!”
Der Meister sprach: ”Das kann nicht sein, Mir fehlt die Musse jetzt dazu, Da.s.s ich Euch auf die Ture tu'.”