Part 18 (1/2)
Sie seufzte tief furwahr, Gar traurig war ihr Sinn, 1465 Sie sprach: ”Mein' Ehr' ist hin.”
”Fraue Schwester Dido,”
Sprach Anna, ”wie denn so?
Sagt, was ist Eure Not?”
”Schwester, ich bin fast tot.” 1470 ”Erkranktet Ihr? Zu welcher Stund'?”
”Schwester, ich bin ganz gesund, Doch kann ich nicht genesen.”
”Schwester, wie mag das wesen?
Ich meine, Frau, 's ist Minne.” 1475 ”Ja, Schwester, zum Wahnsinne.”
”Warum betragt Ihr Euch also, Liebe Fraue Dido?
Was wollt Ihr so verderben?
Ihr durft nicht an Minne sterben. 1480 Ihr mogt sehr wohl genesen Und nachher glucklich wesen.
Es ist kein Mann auf Erden, Der nicht Euer konnte werden, Der nicht froh war' Eurer Minnen; 1485 Ihr sollt Euch ba.s.s besinnen.”
Da versetzte Frau Dido: ”Es steht mir nicht also.
Wahr ist es in der Tat, Ich sollte finden andern Rat; 1490 Ich tat' es, war's in meiner Wahl.
Ihr wisset, da.s.s ich dem Gemahl Sicheus gelobte und verhiess, Der mir ein gross Gut hinterliess Und auch grosse Ehr', 1495 Da.s.s ich nun nimmermehr Einen Mann wurde nehmen, Was fur Freier immer kamen.”
Da sprach aber Anna: ”Ihr redet von dem Manne 1500 Allzuviel und ohne Not.
Er ist seit vielen Tagen tot.
Wo steht denn Euer Sinn?
Wie hatte er Gewinn, Wenn Ihr jetzt verdurbet 1505 Und torichterweise sturbet?
Ihr braucht nicht Euer Leben Seinetwegen zu vergeben.
Er konnt' es Euch nicht lohnen.
Ihr sollt Euch selber schonen. 1510 Die Rede, die Ihr tut, Sie ist ja gar nicht gut.
La.s.st solche Rede sein Und folgt dem Rate mein; Das ist grossere Weisheit. 1515 Sagt mir nur die Wahrheit: Wer ist der selige Mann, Dem Gott es gonnen kann, Da.s.s Ihr ihn wollt minnen?
Das gebt mir zu besinnen. 1520 Ich will Euch raten dann So gut, wie ich es kann, Weil ich Euch Gutes gonne.
Ob ich so raten konne, Da.s.s Ihr damit gedienet seid? 1525 Nun sagt es mir, es ist ja Zeit.”
Sie sprach: ”Ich will's nicht hehlen.
Ich will Euch jetzt befehlen Ehre so wohl als Leben.
Ihr sollt mir Rat drauf geben. 1530 Es ist,” sprach sie, ”ein Mann, Dem keiner gleichen kann.
Ich muss verraten seinen Nam'
Trotz meiner grossen Scham; Das Nennen tut mir weh. 1535 Er heisset,” sprach sie, ”E”-- Und nach dem NE ward es gar lang, So sehr die Minne sie bezw.a.n.g, Bevor sie deutlich sagte AS;-- Dann wusste Anna, wer er was. 1540
_Lines 9735-9820: Pending the fight between Eneas and Turnus, Lavinia hears of Minne from her mother._
Da nun zwischen beiden 9735 Der Zweikampf sollt' entscheiden, Recht war es ihrer Tapferkeit.
Sie machten sich bereit Mit mannlichem Sinn.
Da ging die Konigin 9740 Eines Abends spat In ihre Kemenat Und rief die Tochter zu sich, Eine Jungfrau minniglich.
Zu reden sie begonnte, 9745 Wie sie es wohl konnte, Mit sehr klugem Sinn.
Es sprach die Konigin: ”Lavine, schones Magdelein, Du liebe Tochter mein, 9750 Vielleicht es nun so endet, Da.s.s der Vater dir entwendet Grosses Gut und grosse Ehr': Turnus, der edle Herr, Der deine Minne stark begehrt, 9755 Ist deiner durchaus wert; Des hab' ich sichere Kunde.
Und warest du zur Stunde Tausendmal so schon und gut, Du konntest billig deinen Mut 9760 Dem tapfern Mann zukehren; Ich gonne dir die Ehren.
Ich will, da.s.s du ihn minnest, Und dabei auch erkennest, Da.s.s er ein edler Herr. 9765 Drum lob' ich dir so sehr Den Helden wonnesam.
Sei doch Eneas gram, Jenem Trojaner schlecht, Der ihn erschlagen mocht', 9770 Der dich im Herzen tragt Dir ist's ja auferlegt, Ihm Ungunst zu erzeigen Und stetiges Abneigen, Ihm keine Ehr' zu zollen, 9775 Ihm Gutes nicht zu wollen.
Du sollst ihm bleiben kalt, Weil er dich mit Gewalt Nun wahnet zu gewinnen.
Er strebt nach deiner Minnen 9780 Nur wegen deines Gutes: Was er bestrebt, er tut es, Damit er dich erwerbe Und mit dir nun als Erbe Gewinne auch zugleich 9785 Deines Vaters Reich.
Du tatest, wie ich wollt', Wurdest du Turnus hold.”
”Womit soll ich ihn minnen?”