Part 16 (1/2)
+Maienl.u.s.t.+
Wollt ihr schauen, was dem Maien Wunders ist beschert?
Seht die Pfaffen, seht die Laien, Wie das alles fahrt!
Gross ist sein' Gewalt: 5 Hat er Zauber sich ersonnen?
Wo er kommt mit seinen Wonnen, Da ist niemand alt.
Uns soll alles wohl gelingen, Frohlich woll'n wir sein. 10 La.s.st uns tanzen, lachen, singen, Doch in Zuchten fein.
Weh! Wer war' nicht froh, Seit die Voglein also schone Singen ihre besten Tone? 15 Tun wir auch also!
Wohl dir, Maie, da.s.s du leidest Weder Ha.s.s noch Streit!
Wie du schon die Baume kleidest Und die Heide weit! 20 Die hat Farben viel.
”Du bist kurzer, ich bin langer:”
Also streiten auf dem Anger Blumen sich im Spiel.
Roter Mund, sollst dich bezahmen, 25 La.s.s dein Lachen sein!
Ach, es kann dich nur beschamen, So zu spotten mein.
Ist das wohl getan?
Wehe der verlornen Stunde, 30 Soll von minniglichem Munde Unminn' ich empfahn!
Was mir alle Freude storet, Seid Ihr, Frau, allein.
Ihr nur habt mich ja betoret, 35 So erbarmt Euch mein.
Wie steht Euch der Mut?
Wollt Ihr mir zu allen Tagen Eure Gnade ganz versagen, So seid Ihr nicht gut. 40
La.s.st die Sorgen von mir scheiden, Macht mir lieb die Zeit!
Sonst muss ich die Freude meiden, Da.s.s Ihr selig seid.
Wollt Ihr um Euch sehn? 45 Alles freut sich im Vereine, La.s.st von Euch auch eine kleine Freude mir geschehn!
+2+
+Fruhling und Frauen.+
Wenn die Blumen aus dem Grase dringen, Gleich als lachten sie hinauf zur Sonne, Des Morgens fruh an einem Maientag, Und die kleinen Voglein lieblich singen Ihre schonsten Weisen: welche Wonne 5 Hat wohl die Welt, die so erfreuen mag?
Man glaubt sich halb im Himmelreiche.
Wollt ihr h.o.r.en, was sich dem vergleiche, So sage ich, was wohler doch Schon ofter an den Augen tat 10 und immer tut, erschau' ich's noch.
Denkt, ein edles, schones Fraulein schreite Wohlbekleidet, wohlbekranzt hernieder, Sich unter Leuten frohlich zu ergehn, Hochgemut im furstlichen Geleite, Etwas um sich blickend hin und wieder, 15 Wie Sonne neben Sternen anzusehn: Der Mai mit allen Wundergaben Kann doch nichts so Wonnigliches haben Als ihr viel minniglicher Leib; Wir la.s.sen alle Blumen stehn 20 und blicken nach dem werten Weib.
Nun wohlan, wollt ihr Beweise schauen: Gehn wir zu des Maien l.u.s.tbereiche, Der ist mit seinem ganzen Heere da.
Schauet ihn und schauet edle Frauen, Was dem andern wohl an Schonheit weiche. 25 Ob ich mir nicht das bessre Teil ersah.
Ja, wenn mich einer wahlen hiesse, Da.s.s ich eines fur das andre liesse, Ach, wie so bald entschied' ich mich: Herr Mai, ihr musstet Janner sein, 30 eh' ich von meiner Herrin wich'.
+3+
+Schonheit und Tugend.+