Part 66 (1/2)

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+Anmutige Fruhlingsvorwurfe.+

Ich h.o.r.e die Vogel, ich sehe die Walder, Ich fuhle das Spielen der kuhlenden Luft, Ich rieche der Blute balsamischen Duft, Ich schmecke die Fruchte. Die fruchtbaren Felder, Die glanzenden Wiesen, das funkelnde Na.s.s 5 Der tauichten Tropfen, das wallende Gras Voll lieblicher Blumen, das sanfte Gezische Der mancherlei lieblich beblatterten Busche, Das murmelnde Rauschen der rieselnden Flut, Der zitternde Schimmer der silbernen Flache 10 Durch grunende Felder sich schlangender Bache, Der flammenden Sonne belebende Glut, Die alles verherrlichet, warmet und schmucket, Dies alles ergetzet, erquicket, entzucket Ein Auge, das Gott in Geschopfen ersieht, 15 Ein Ohr, das den Schopfer verstehet und h.o.r.et, Ein Herze, das Gott in den Wundern verehret, Kein viehisch, nur einzig ein menschlich Gemut.

+2+

+Die Nachtigall und derselben Wettstreit gegen einander.+

Im Fruhling ruhrte mir das Innerste der Seelen Der Busche Konigin, die holde Nachtigall, Die aus so enger Brust und mit so kleiner Kehlen Die grossten Walder fullt durch ihren Wunderschall.

Derselben Fertigkeit, die Kunst, der Fleiss, die Starke, 5 Verandrung, Stimm' und Ton sind lauter Wunderwerke Der wirkenden Natur, die solchen starken Klang In ein paar Federchen, die kaum zu sehen, senket Und einen das Gehor bezaubernden Gesang In solche dunne Haut und zarten Schnabel schranket. 10 Ihr Halschen ist am Ton so unerschopflich reich, Da.s.s sie tief, hoch, gelind und stark auf einmal singet.

Die kleine Gurgel lockt und zischt und pfeift zugleich, Da.s.s sie wie Quellen rauscht, wie tausend Glocken klinget.

Sie zwitschert, stimmt und schlagt mit solcher Anmut an, 15 Mit solchem nach der Kunst gekrauselten Geschwirre, Da.s.s man darob erstaunt und nicht begreifen kann, Ob sie nicht seufzend lach', ob sie nicht lachend girre.

Ihr Stimmchen ziehet sich in einer hohlen Lange Von unten in die Hoh', fallt, steigt aufs neu empor, 20 Und schwebt nach Ma.s.s und Zeit; bald drangt sich eine Menge Verschiedner Ton' aus ihr als wie ein Strom hervor.

Sie dreht und dehnt den Ton, zerreisst und fugt ihn wieder, Singt sanft, singt ungestum, bald klar, bald grob, bald h.e.l.l.

Kein Pfeil verfliegt so rasch, kein Blitz verstreicht so schnell, 25 Die Winde konnen nicht so streng im Sturmen wehen, Als ihre schmeichelnde verwunderliche Lieder Mit wirbelndem Gerausch sich andern, sich verdrehen.

Ein flotend Glucken quillt aus ihrer hohlen Brust, Ein murmelnd Pfeifen labt der stillen h.o.r.er Herzen; 30 Doch dies verdoppelt noch und mehrt die frohe l.u.s.t, Wenn etwan ihrer zwo zugleich zusammen scherzen.

Die singt, wenn jene ruft; wann diese lockt, singt jene Mit solch anmutigem bezaubernden Getone, Da.s.s diese wiederum aus Missgunst, als ergrimmt, 35 In einen andern Ton die schlanke Zunge stimmt.

Die andre horcht indes und lauscht voll Unvergnugen, Ja fangt zu ihres Feinds und Gegensangers Hohn, Um durch noch kunstlichern Gesang ihn zu besiegen, Von neuem wieder an in solchem scharfen Ton, 40 Mit solchem feurigen, empfindlich h.e.l.len Klang, Mit solch gewaltigem oft wiederholtem Schlagen, Da.s.s so durchdringenden und heftigen Gesang Das menschliche Gehor kaum machtig zu ertragen.

Wer nun so sussen Ton im frohen Fruhling hort 45 Und nicht des Schopfers Macht voll Brunst und Andacht ehrt, Der Luft Beschaffenheit, das Wunder unsrer Ohren Bewundernd nicht bedenkt, ist nur umsonst geboren Und folglich nicht der Luft, nicht seiner Ohren wert.

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+Fruhlingsbetrachtungen.+

Mich erquicken, Mich entzucken In der holden Fruhlingszeit Alle Dinge, die ich sehe, Da ja, wo ich geh' und stehe, 5 Alles voller Lieblichkeit.

Durch der grunen Erde Pracht, Durch die Blumen, durch die Blute Wird durchs Auge mein Gemute Recht bezaubernd angelacht. 10

Die gelinden lauen Lufte Voller balsamreicher Dufte Treibt des holden Zephyrs Spiel Zum Geruch und zum Gefuhl.

Auf den glatten Wellen wallen 15 Wie auf glanzenden Krystallen Im bestandig regen Licht Tausend Strahlen, tausend Blitze, Und ergetzen das Gesicht, Sonderlich wenn selbe zwischen 20 Noch nicht d.i.c.k bewachs'nen Buschen Und durch junge Weiden glimmen.

Kleine Lichter, welche schwimmen Auf dem Laub und auf der Flut Bald in weiss-, bald blauer Glut, 25 Treffen mit gefarbtem Scherz Durch die Augen unser Herz.

Seht die leichten Vogel fliegen, h.o.r.et, wie sie sich vergnugen, Seht, wie die beblumten Hecken 30 Ihr geflochtnes Nest verstecken!

Schlupfet dort nach seinem Neste Ein verliebt und emsigs Paar, Hufpet hier durch Laub und aste Eine bunt gefarbte Schar. 35 Seht, wie sie die Kopfchen drehn Und des Fruhlings Pracht besehn, Hort, wie gurgeln sie so schon!

h.o.r.et, wie sie musicieren!

La.s.s dich doch ihr Beispiel ruhren, 40 Liebster Mensch, la.s.s dem zu Ehren, Der die Welt so schon geschmuckt Und durch sie dich fast entzuckt, Auch ein frohes Danklied h.o.r.en!