Part 35 (2/2)
Ich ging hinzu und sprach kein Wort.
Frau Minn' erblickte mich sofort, Die war gar wundersam geziert: ”Sag' mir, mein lieber Suchenwirt,” 100 Sprach sie, ”was tust du hie?”
Geschwinde fiel ich auf ein Knie.
”Gnade, Frau,” darauf sprach ich; ”Der Mai hat Blumen wonniglich Im ganzen Land herumgestreut, 105 Da.s.s manches Herze wird erfreut, So wie die kleinen Vogelein.
Ich kam verlockt vorn Augenschein Auf diesen Anger wunderbar; Da wurde Euer ich gewahr 110 Und horte Eure Klage gross.”
Sie sprach: ”Ich bin der Freuden bloss Und weiss, was ich beginnen soll.
Die Welt ist schlechter Kniffe voll: Hast du gehort des Jammers Pein, 115 So handle nach dem Willen mein Und tu' es offenherzig kund Den Edlen hier zu mancher Stund', Da.s.s sie vor Schande huten sich.”
”Das tu' ich gerne, Frau,” sprach ich. 120 So schied ich von der Minne dann Begluckt und ohne argen Wahn.
+x.x.xVII. BRANT'S s.h.i.+P OF FOOLS+
A famous satire published at Basel in 1494, with numerous excellent woodcuts. Its author, Sebastian Brant, was born at Stra.s.sburg in 1457, took his degree in law, became city clerk of his native place and died in 1521. The _s.h.i.+p of Fools_, which consists of disconnected sections describing the various kinds of fools--over a hundred of them--who have embarked in the s.h.i.+p for Fool-land, was translated into Latin, into French three times and into English twice. It was Germany's first important contribution to world literature. The selections are from the modernization by Simrock, Berlin, 1872.
+1+
+Von Geiznarren.+
Wer sich verla.s.st auf zeitig Gut, Drin Freude sucht und guten Mut, Der ist ein Narr mit Leib und Blut.[1]
Der ist ein Narr, der sammelt Gut Und hat nicht Freud', und guten Mut 5 Und weiss auch nicht, wem er's wird sparen, Wenn er muss zum dustern Keller fahren.
Noch torichter ist, wer vertut In uppigkeit und Frevelmut Was Gott ins Haus ihm hat gegeben. 10 Er nur verwalten soll sein Leben Und Rechenschaft drum geben muss Wohl schwerer als mit Hand und Fuss.
Ein Narr hauft den Verwandten viel; Die Seel' er nicht bedenken will, 15 Sorgt, ihm gebrech' es in der Zeit, Und fragt nicht nach der Ewigkeit.
O armer Narr, wie bist du blind!
Du scheust den Ausschlag, kriegst den Grind.
Erwirbt mit Sunden mancher Gut 20 Und brennt dann in der Holle Glut, Des achten seine Erben klein: Sie hulfen ihm nicht mit einem Stein, Losten ihn kaum mit einem Pfund, Wie tief er lag' im Hollenschlund. 25 Gib weil du lebst, ist Gottes Wort: Ein andrer schaltet, bist du fort.
Kein weiser Mann trug je Verlangen Mit Reichtum auf der Welt zu prangen.
Er trachtet nur sich selbst zu kennen; 30 Den Weisen mag man steinreich nennen.
Das Geld am Ende Cra.s.sus trank; Danach gedurstet hatt' ihn lang.
Crates sein Geld warf in das Meer, So stort's im Lernen ihn nicht mehr. 35 Wer sammelt, was verganglich ist, Begrabt die Seel' in Kot und Mist.
[Notes: 1: These three lines, which are a sort of motto, precede a picture representing a rich man seated at a table which is loaded with money and plate. Two poor travelers approach and look covetously upon the wealth. All three men wear the fool's cap.]
+2+
+Selbstgefalligkeit.+
Den Narrenbrei ich nie verga.s.s, Seit mir gefiel das Spiegelglas: Hans Eselsohr mein Herz besa.s.s.[2]
Der ruhrt sich wohl den Narrenbrei, Der wahnt, da.s.s er sehr witzig sei, 5 Und gefallt sich selber gar so wohl, Da.s.s er in den Spiegel guckt wie toll Und doch nicht mag gewahren, da.s.s Er einen Narren sieht im Glas.
Und sollt' er schworen einen Eid, 10 Spricht man von Zucht und Artigkeit, Meint er, die hatt' er ganz allein, Seinsgleichen konnt' auch nirgends sein, Der aller Fehler ledig war'.
Sein Tun und Ruhn gefallt ihm sehr. 15 Des Spiegels er drum nicht entrat, Wo er sitzt und reitet, geht und steht, Wie es Kaiser Otho hat gemacht, Der den Spiegel mitnahm in die Schlacht Und schor die Backen zwier am Tag, 20 Mit Eselsmilch sie wusch hernach.
Dem Spiegel sind die Fraun ergeben; Ohne Spiegel konnte keine leben.
Eh' sie sich recht davor geschleiert Und geputzt, wird Neujahr wohl gefeiert. 25 Wem so gefallt Gestalt und Werk, Ist dem Affen gleich zu Heidelberg.[3]
Dem Pygmalion gefiel sein Bild, Vor Narrheit ward er toll und wild.
Sah in den Spiegel nicht Narciss, 30 Lebt' er noch manches Jahr gewiss.
Mancher sieht stets den Spiegel an, Der ihm doch nichts Schones zeigen kann.
Wo du solch narrisch Schaf siehst weiden, Das mag auch keinen Tadel leiden, 35 Es geht in seinem Taumel hin, Und kein Verstand will ihm zu Sinn.
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