Part 2 (1/2)
A fragment, or rather several fragments, of a poetic version of Genesis, contemporary with the _Heliand_ and possibly by the same author. They were discovered at the Vatican Library in 1894 and comprise in all 337 lines. The translation is by Vetter, _Die neuentdeckte deutsche Bibeldichtung_, 1895.
_Lines 27-79; The punishment of Cain._
Er wandelte zur Wohnung, gewirkt war die Sunde, Die bittre am Bruder; er liess ihn am Boden liegen In einem tiefen Tale betaubt im Blute, Des Lebens ledig; zur Lagerstatt hatte 30 Den Sand der Geselle. Da sprach Gott selbst jenen an, Der Waltende, mit seinen Worten-- ihm wallte sein Herz Unmilde dem Morder-- er fragte ihn, wo er den Mann hatte, Den blutjungen Bruder. Der Bose drauf sprach-- Er hatte mit seinen Handen grosse Harmtat 35 Frevelnd gewirkt; die Welt war so sehr Mit Sunden besudelt:-- ”Zu sorgen nicht brauch' ich, Zu wachen, wohin er wandle, noch wies mich Gott an, Da.s.s ich sein hatte irgend zu huten, Zu warten in der Welt.” Er wahnte furwahr, 40 Da.s.s er verhehlen konne seinem Herren Die Untat und bergen. Ihm gab Antwort unser Herr: ”Ein Werk vollfuhrtest du, des furder dein Herz Mag trauern dein Lebtag, das du tatst mit deinen Handen; Des Bruders Morder bist du; nun liegt er blutig da, 45 Von Wunden weggerafft, der doch kein einig Werk dir, Kein schlechtes, beschloss; aber erschlagen hast du ihn, Hast getan ihm den Tod; zur Erde trieft sein Blut; Die Safte entsickern ihm, die Seele entwandelt, Der Geist, wehklagend, nach Gottes Willen. 50 Es schreit das Blut zum Schopfer und sagt, wer die Schandtat getan, Das Meinwerk in diesem Mittelkreis; nicht mag ein Mann freveln, Mehr unter den Menschen in der Mannerwelt Mit bittren Bosheitswerken, als du an deinem Bruder hast Untat geubt.” Da angstete sich 55 Kain nach des Herrn Worten; er bekannte wohl zu wissen, Nie moge vor dem Allmachtigen ein Mann, solang die Welt steht, Eine Tat vertuschen: ”So muss ich darob nun betrubten Sinn Bergen in meiner Brust, da.s.s ich meinen Bruder schlug Durch meiner Hande Kraft.
Nun weiss ich, da.s.s ich muss unter deinem Ha.s.se leben 60 Furder, unter deiner Feindschaft, da ich diesen Frevel getan.
Nun mich meine Schandtat schwerer dunkt, Die Missetat machtiger als die Milde deines Herzens: So bin ich des nicht wurdig, allwaltender Gott, Da.s.s du die schreckliche Schuld mir vergebest, 65 Von dem Frevel mich befreiest. Der Frommheit und Treue Verga.s.s mein Herz gegen deine Heiligkeit; nun weiss ich, da.s.s ich keinen Tag mehr leben kann; Erschlagen wird mich, wer auf meinem Weg mich findet, Austilgen ob meiner Untat.” Da gab ihm Antwort selber Des Himmels Herrscher: ”Hier sollst du furder 70 Noch leben in diesem Lande. So leid du allen bist, So befleckt mit Freveln, doch will ich dir Frieden schaffen, Ein Zeichen an dir setzen, da.s.s du sicher magst Weilen in dieser Welt, ob du des auch nicht wurdig seist: Fluchtig doch sollst du friedlos fur und fur 75 Leben in diesem Lande, solang du dieses Licht schaust; Verfluchen sollen dich die Frommen, du sollst nicht furder vor deines Herrn Antlitz treten, Noch Worte mit ihm wechseln; wallend wird Die Strafe fur den Bruder dich brennen in der Holle.”
+VII. OTFRIED'S BOOK OF THE GOSPELS+
A Messiad written in the dialect of the southern Rhenish Franks and comprising some 15,000 lines in five books. It was completed after years of toil about 870. Its author, a monk of Weissenburg in Alsatia, is the earliest German author whose name is known and the first to employ rime or a.s.sonance in place of alliteration. The selections are from the translation in Botticher and Kinzel's _Denkmaler, II, 3_, in which the crude a.s.sonances of the pioneer are replaced by regular modern rimes.
[Transcriber's Note: In this chapter, all lines have been split at the caesura. Line numbering in the first pa.s.sage is unchanged. There are 36 numbered lines.]
_Book I, section 1, lines 1-34: Otfried tells why he wrote in German._
Es hat viel Leute schon gegeben, die waren stark in dem Bestreben, Durch Bucherschreiben zu bereiten sich gut Gerucht fur alle Zeiten; Und darauf auch gerichtet war ihr starkes Sehnen immerdar, Da.s.s man in Buchern es erzahlte, wie ihnen Tatenl.u.s.t nicht fehlte.
Dazu verlangte ihre Ehre, da.s.s auch ihr Scharfsinn sichtbar ware, 5 So wie der Anmut schone Feinheit in ihres Dichtens klarer Reinheit.
Sie haben alles, wie's sich schickt, sorgsam und kunstvoll ausgedruckt, Und haben's gut herausgefunden-- zwar dunkel scheint's, doch wohl verbunden-- Wodurch es dann auch dazu kam, da.s.s jedermann sie gern vernahm, Und wer daran Gefallen fand, des Witz sich ubte und Verstand. 10 Wie leicht wohl konnte man dafur gar vieler Leute Namen hier Aufzahlen und besonders nennen, von denen wir die Bucher kennen.
Griechen und Romer, hochberuhmt, die machen's, wie es sich geziemt, Und haben's also hergestellt, wie es dir immer wohlgefallt.
Sie machen's nach dem rechten Ma.s.s und schlecht und recht ohn' Unterla.s.s; 15 So muss es denn ein Ganzes sein, grad' so, als war's aus Elfenbein.
Wenn man die Taten so erzahlt, die l.u.s.t zum Leben keinem fehlt.
Und willst du dich zur Dichtung kehren, so wirst du deine Einsicht mehren.
So wohl der Prosa schlichtes Wesen wirst mit Genuss du immer lesen, Als auch des Metrums feine Zier ist eine reine Freude dir. 20 Sie machen es mit vieler Susse und messen gut der Verse Fusse, Ob kurz, ob lang sie mussen sein, auf da.s.s es wurde glatt und fein.
Auch darauf stets ihr Trachten geht, da.s.s jede Silbe sicher steht, Und da.s.s ein jeder Vers so klingt, wie jeder Versfuss es bedingt.
Sie zahlen mit Genauigkeit die Lang' und Kurze jeder Zeit, 25 Und sichre Grenzen sind gezogen, wonach das Silbenma.s.s gewogen.
Auch saubern sie's mit rechter Reinheit und auch mit ausgesuchter Feinheit, So wie ein Mann mit Fleiss und Treu'
die Korner sondert von der Spreu.
Ja, selbst den heil'gen Buchern geben sie eine Versform rein und eben, Kein Fehler findet sich darin, so liest du es mit frohem Sinn.-- 30 Nun, da so viele es betreiben, da.s.s sie in eigner Zunge schreiben, Und da sie eifrig danach streben, sich selber ruhmend zu erheben, Wie sollten da die Franken zagen, auch selber den Versuch zu wagen, Da.s.s sie's mit Eifer dahin bringen, auf Frankisch Gottes Lob zu singen?
Zwar ist der Sprache nicht bekannt der Regeln festgefugtes Band, 35 Doch fehlt der grade Ausdruck nicht, noch auch die Einfalt schon und schlicht.
_I, 1, lines 59-90: The same theme continued; Otfried praises the Franks._
Sie sind genau so unverzagt, wie man es von den Romern sagt.
Auch darf man nicht zu sagen wagen, da.s.s kuhnern Mut die Griechen tragen. 60 Ganz ebenso ist es bewandt mit ihrem Wissen und Verstand.
Sie sind voll Mut und Tapferkeit an jedem Ort, zu jeder Zeit, Viel Macht und Ansehn haben sie, und Kuhnheit fehlet ihnen nie.
Zum Schwerte greifen sie verwegen, das ist die Art der wackern Degen.
Vollauf versehn und wohl im Stande, so wohnen sie in reichem Lande. 65 Von alters her ihr Gut sich mehrt, derhalben sind sie hochgeehrt.
Gar schon und fruchtbar ist ihr Land; wem ware dies nicht wohlbekannt?
Es gibt dort vielerlei Gewinnst-- es ist nicht eigenes Verdienst-- Dort kann man Erz und Kupfer haben, das zum Gebrauche wird gegraben.
Und denket nur, wie wunderbar!
Eissteine[1] gibt es dort sogar. 70 Und von Metallen man noch fuge dazu das Silber zur Genuge; Auch lesen sie daselbst im Land Gold, das sie finden in dem Sand.
Es ist ihr Sinnen fest und stet, das immer nur aufs Gute geht, Und ist zum Nutzen hingewandt, so wie sie's lehret ihr Verstand.
Sie sind zu jeder Zeit bereit, zu schutzen sich vor Feindes Neid; 75 Der mag nichts gegen diese wagen, zu Boden wird er stets geschlagen.
Kein Volk gibt's, das ihr Land beruhrt, das ihre Gegenwart nicht spurt; Sie dienen ihnen notgedrungen, von ihrer Tuchtigkeit bezwungen.
Sie haben alles Volk besiegt, wo nicht die See dazwischen liegt.
Nach Gottes Willen und Gedanken hat jedermann Furcht vor den Franken, 80 Da nirgendwo ein Volk wohl lebt, das da nach Kampf mit jenen strebt.