Part 76 (2/2)
_From an essay ent.i.tled 'Shakespear'[4]: Sophocles and Shakspere._
Shakespear fand vor und um sich nichts weniger als Simplicitat von Vaterlandssitten, Taten, Neigungen und Geschichtstraditionen, die das griechische Drama bildete, und da also nach dem ersten metaphysischen Weisheitssatze aus nichts nichts wird, so ware, Philosophen uberla.s.sen, nicht bloss kein griechisches, sondern, wenn's ausserdem Nichts gibt, auch gar kein Drama in der Welt mehr geworden, und hatte werden konnen.
Da aber Genie bekannterma.s.sen mehr ist als Philosophie, und Schopfer ein ander Ding als Zergliederer: so war's ein Sterblicher mit Gotterkraft begabt, eben aus dem entgegengesetztesten Stoff, und in der verschiedensten Bearbeitung, dieselbe Wirkung hervorzurufen, Furcht und Mitleid, und beide in einem Grade, wie jener erste Stoff und Bearbeitung es kaum hervorzubringen vermocht! Glucklicher Gottersohn uber sein Unternehmen! Eben das neue, erste, ganz Verschiedene, zeigt die Urkraft seines Berufs.
Shakespear fand keinen Chor vor sich, aber wohl Staats- und Marionettenspiele--wohl! Er bildete also aus diesen Staats- und Marionettenspielen, dem so schlechten Leim, das herrliche Geschopf, das da vor uns steht und lebt. Er fand keinen so einfachen Volks- und Vaterlandscharakter, sondern ein Vielfaches von Standen, Lebensarten, Gesinnungen, Volkern und Spracharten--der Gram um das Vorige ware vergebens gewesen;--er dichtete also Stande und Menschen, Volker und Spracharten, Konig und Narren, Narren und Konig zu dem herrlichen Ganzen! Er fand keinen so einfachen Geist der Geschichte, der Fabel, der Handlung: er nahm Geschichte, wie er sie fand, und setzte mit Schopfergeist das verschiedenartigste Zeug zu einem Wunderganzen zusammen, was wir, wenn nicht Handlung im griechischen Verstande, so Aktion im Sinne der mittlern, oder in der Sprache der neuern Zeiten Begebenheit (_evenement_), grosses Ereignis, nennen wollen--o Aristoteles, wenn du erschienest, wie wurdest du den neuen Sophokles homerisieren! wurdest so eine eigne Theorie uber ihn dichten, die jetzt seine Landsleute, Home und Hurd, Pope und Johnson, noch nicht gedichtet haben! Wurdest dich freuen, von jedem deiner Stucke, Handlung, Charakter, Meinungen, Ausdruck, Buhne, wie aus zwei Punkten des Dreiecks Linien zu ziehen, die sich oben in Einem Punkte des Zwecks, der Vollkommenheit begegnen! Wurdest zu Sophokles sagen: male das heilige Blatt dieses Altars! und du, o nordischer Barde, alle Seiten und Wande dieses Tempels in dein unsterbliches Fresco!
Man la.s.se mich als Ausleger und Rhapsodisten fortfahren, denn ich bin naher Shakespear als dem Griechen. Wenn bei diesem das Eine einer Handlung herrscht, so arbeitet jener auf das Ganze eines Ereignisses, einer Begebenheit. Wenn bei jenem Ein Ton der Charaktere herrschet, so bei diesem alle Charaktere, Stande und Lebensarten, so viel nur fahig und notig sind, den Hauptklang seines Concerts zu bilden. Wenn in jenem Eine singende feine Sprache, wie in einem hoheren ather tonet, so spricht dieser die Sprache aller Alter, Menschen und Menschenarten, ist Dolmetscher der Natur in all ihren Zungen--und auf so verschiedenen Wegen beide Vertraute Einer Gottheit. Und wenn jener Griechen vorstellt und lehrt und ruhrt und bildet, so lehrt, ruhrt und bildet Shakespear nordische Menschen! Mir ist, wenn ich ihn lese, Theater, Acteur, Coulisse verschwunden! Lauter einzelne im Sturm der Zeiten wehende Blatter aus dem Buch der Begebenheiten, der Vorsehung, der Welt!
einzelne Geprage der Volker, Stande, Seelen! die alle die verschiedenartigsten und abgetrenntest handelnden Maschinen--was wir in der Hand des Weltschopfers sind--unwissende, blinde Werkzeuge zum ganzen Eines theatralischen Bildes, Einer Grosse habenden Begebenheit, die nur der Dichter uberschauet. Wer kann sich einen grossern Dichter der nordischen Menschheit, und in dem Zeitalter, denken!
[Notes: 4: Published in the aforementioned collection _Von deutscher Art und Kunst_ (1773). See Suphan's Herder, Vol. 5, page 208.]
5
_From 'Auch eine Philosophie': The Middle Ages and the Age of Reason._[5]
Die dunkeln Seiten dieses Zeitraums [des Mittelalters] stehen in allen Buchern: jeder kla.s.sische Schondenker, der die Polizierung unsres Jahrhunderts furs _non plus ultra_ der Menschheit halt, hat Gelegenheit ganze Jahrhunderte auf Barbarei, elendes Staatsrecht, Aberglauben und Dummheit, Mangel der Sitten und Abgeschmacktheit--in Schulen, in Landsitzen, in Tempeln, in Klostern, in Rathausern, in Handwerkszunften, in Hutten und Hausern zu schmalen und uber das Licht unsres Jahrhunderts, das ist, uber seinen Leichtsinn und Ausgela.s.senheit, uber seine Warme in Ideen und Kalte in Handlungen, uber seine scheinbare Starke und Freiheit, und uber seine wirkliche Todesschwache und Ermattung unter Unglauben, Despotismus und uppigkeit zu lobjauchzen.
Davon sind alle Bucher unsrer Voltare und Hume, Robertsons und Iselins voll, und es wird ein so schon Gemalde, wie sie die Aufklarung und Verbesserung der Welt aus den truben Zeiten des Deismus und Despotismus der Seelen, d.i. zu Philosophie und Ruhe herleiten--da.s.s dabei jedem Liebhaber seiner Zeit das Herz lacht....
Da.s.s es jemanden in der Welt unbegreiflich ware, wie Licht die Menschen nicht nahrt! Ruhe und uppigkeit und sogenannte Gedankenfreiheit nie allgemeine Gluckseligkeit und Bestimmung sein kann! Aber Empfindung, Bewegung, Handlung--wenn auch in der Folge ohne Zweck (was hat auf der Buhne der Menschheit ewigen Zweck?), wenn auch mit Stossen und Revolutionen, wenn auch mit Empfindungen, die hie und da schwarmerisch, gewaltsam, gar abscheulich werden--als Werkzeug in den Handen des Zeitlaufs, welche Macht! welche Wirkung! Herz und nicht Kopf genahrt!
mit Neigungen und Trieben alles gebunden, nicht mit krankelnden Gedanken! Andacht und Ritterehre, Liebeskuhnheit und Burgerstarke--Staatsverfa.s.sung und Gesetzgebung, Religion. --Ich will nichts weniger als die ewigen Volkerzuge und Verwustungen, Vasallenkriege und Befehdungen, Monchsheere, Wallfahrten, Kreuzzuge verteidigen; nur erklaren mochte ich sie: wie in allem doch Geist hauchet! Gahrung menschlicher Krafte! Grosse Kur der ganzen Gattung durch gewaltsame Bewegung, und wenn ich so kuhn reden darf, das Schicksal zog, (allerdings mit grossem Getose, und ohne da.s.s die Gewichte da ruhig hangen konnten,) die grosse abgelaufene Uhr auf! Da ra.s.selten also die Rader!
[Notes: 5: The booklet _Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit_ was published in 1774. See Suphan's Herder, Vol. 5, page 475.]
+LXXIV. JOHANN WOLFGANG GOETHE+
1749-1832. The long-gathering promise of a German literary renascence was splendidly fulfilled in the genius of Goethe. In all the _genres_ he wrought with high and peculiar distinction; and so intensely and fully did he live the life of his epoch that he has come to be regarded as _the_ representative of the modern spirit. A great critic has called him 'the clearest, largest, and most helpful thinker of modern times.' The scope of this book is such that only the youthful Goethe is represented in the selections.
+1+
+Mailied.+
Wie herrlich leuchtet Mir die Natur!
Wie glanzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!
Es dringen Bluten 5 Aus jedem Zweig Und tausend Stimmen Aus dem Gestrauch,
Und Freud' und Wonne Aus jeder Brust. 10 O Erd', o Sonne!
O Gluck, o l.u.s.t!
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