Part 69 (1/2)
Stumme Huter toter Schatze Sind nur reich.
Dem, der keinen Schatz bewachet, Sinnreich scherzt und singt und lachet, Ist kein karger Konig gleich. 15
Gieb den Kennern, die dich ehren, Neuen Mut, Neuen Scherz den regen Zungen, Neue Fertigkeit den Jungen, Und den Alten neues Blut. 20
Du erheiterst, holde Freude!
Die Vernunft.
Flieh auf ewig die Gesichter Aller finstern Splitterrichter Und die ganze Heuchlerzunft. 25
+4+
+Das Huhnchen und der Diamant.+
Ein verhungert Huhnchen fand Einen feinen Diamant Und verscharrt ihn in den Sand.
”Mochte doch, mich zu erfreun,”
Sprach es, ”dieser schone Stein Nur ein Weizenkornchen sein!”
Ungluckselger uberfluss, Wo der notigste Genuss Unsern Schatzen fehlen muss!
+5+
+Johann, der Seifensieder.+
Johann, der muntre Seifensieder, Erlernte viele schone Lieder, Und sang, mit unbesorgtem Sinn, Vom Morgen bis zum Abend hin.
Sein Tagwerk konnt' ihm Nahrung bringen; 5 Und wann er a.s.s, so musst' er singen, Und wann er sang, so war's mit l.u.s.t; Aus vollem Hals und freier Brust.
Beim Morgenbrot, beim Abendessen, Blieb Ton und Triller unvergessen; 10 Der schallte recht, und seine Kraft Durchdrang die halbe Nachbarschaft.
Man horcht, man fragt: Wer singt schon wieder?
Wer ist's? Der muntre Seifensieder.
Im Lesen war er anfangs schwach; 15 Er las nichts als den Almanach, Doch lernt' er auch nach Jahren beten, Die Ordnung nicht zu ubertreten, Und schlief, dem Nachbar gleich zu sein, Oft singend, oftrer lesend, ein. 20 Er schien fast glucklicher zu preisen Als die berufnen sieben Weisen, Als manches Haupt gelehrter Welt, Das sich schon fur den achten halt.
Es wohnte diesem in der Nahe 25 Ein Sprossling eigennutz' ger Ehe, Der, stolz und steif und burgerlich, Im Schmausen keinem Fursten wich: Ein Garkoch richtender Verwandten, Der Schwager, Vettern, Nichten, Tanten, 30 Der stets zu halben Nachten fra.s.s, Und seiner Wechsel oft verga.s.s.
Kaum hatte mit den Morgenstunden Sein erster Schlaf sich eingefunden, So liess ihm den Genuss der Ruh 35 Der nahe Sanger nimmer zu.
”Zum Henker! larmst du dort schon wieder, Vermaledeiter Seifensieder?
Ach ware doch, zu meinem Heil, Der Schlaf hier, wie die Austern feil!” 40
Den Sanger, den er fruh vernommen, La.s.st er an einem Morgen kommen Und spricht: ”Mein l.u.s.tiger Johann!
Wie geht es Euch? Wie fangt Ihrs an?
Es ruhmt ein jeder Eure Ware: 45 Sagt, wie viel bringt sie Euch im Jahre?”
”Im Jahre, Herr? Mir fallt nicht bei, Wie gross im Jahr mein Vorteil sei.
So rechn' ich nicht; ein Tag bescheret, Was der, so auf ihn kommt, verzehret, 50 Dies folgt im Jahr (ich weiss die Zahl) Dreihundertfunfundsechzigmal.”
”Ganz recht; doch konnt Ihr mir's nicht sagen, Was pflegt ein Tag wohl einzutragen?”
”Mein Herr, Ihr forschet allzusehr: 55 Der eine wenig, mancher mehr, So wie's dann fallt! Mich zwingt zur Klage Nichts als die vielen Feiertage; Und wer sie alle rot gefarbt, Der hatte wohl, wie Ihr, geerbt, 60 Dem war die Arbeit sehr zuwider; Das war gewiss kein Seifensieder.”
Dies schien den Reichen zu erfreun.